Coronagedenkgottesdienst in St. Michael

 

Coronagedenkgottesdienst in St. Michael - mitgestaltet von Kindern und Jugendlichen des Caritas Kinderdorf IrschenbergUnsere Kinder und Jugendlichen konnten am 9. Juli 2021 den Corona-Gedenkgottesdienst in St. Michael in München mitgestalten. Unser Freizeitpädagoge Schorsch Biebl und der für uns zuständige Diakon Andreas Maier haben den Gottesdienst mit vorbereitet. Im Anschluss an den Gottesdienst kamen viele Besucher nach vorne, um sich unser Kreuz anzuschauen und sich mit den Jugendlichen zu unterhalten und ihnen Mut zuzusprechen. Es war wirklich eine rundum gelungene Veranstaltung.

Lesen hier den Text der Predigt:

Liebe Kinder und Jugendliche aus dem Kinderdorf, lieber Pater Kern, liebe Brüder und Schwestern,

zugegeben, das Kreuz, das wir im Caritas-Kinderdorf gebaut und heute hier aufgestellt haben, ist keine sieben Meter hoch, wie das Altarkreuz hier in St. Michael. Unseres ist auch keine 400 Jahre alt, sondern erst 4 Monate. Unser Kreuz ist nicht von einem namhaften Künstler angefertigt worden, sondern von den etwa 80 Kindern und Jugendlichen aus dem Caritas-Kinderdorf in Irschenberg. Der Anlass für den Bau dieses Kreuzes war die jährliche Kreuzwegandacht im Kinderdorf.

Seit Oktober letzten Jahres darf ich dort nebenberuflich als Seelsorger mitarbeiten. Die ganze Zeit - wie sollte es anders sein - war und ist von Corona überschattet und der Alltag ein anderer: Das großzügige Kinderdorfareal war in Sektoren eingeteilt. Je zwei Wohngruppen zu insgesamt 10 - 15 Kindern und Jugendlichen durften Kontakt zueinander haben - alles darüber hinaus - war aus hygienischen Gründen nicht möglich. Gemeinschaftseinrichtungen wie der große Abenteuer-Spielplatz und zwei Fußballfelder waren verwaist. Viele Kinder - gerade die neu dort ankamen - haben die meisten der anderen Kinder überhaupt nie kennenlernen oder aus der Nähe treffen können. In diesen Zeiten des harten Lockdowns gab es nur zwei Aktionen, bei denen sich das ganze Kinderdorf zumindest gesehen hat: Eine Adventsandacht und eine Kreuzwegandacht - jeweils als Freiluftgottesdienst mit streng abgesteckten Bereichen und großen Abständen auf dem Sportplatz.

Für die Kreuzwegandacht in der Fastenzeit bekamen die einzelnen Wohngruppen ein vorher angefertigtes Bauteil für das Kreuz, welches Sie hier sehen. Gemeinschaftlich durften die Kinder und Jugendlichen dort ihre Sorgen und Lasten, die sie gerade spüren und tragen aufmalen, draufschreiben und zeichnen. In der Andacht wurden die Bauteile von einzelnen Jugendlichen nach und nach zu einem Kreuz zusammengenagelt werden. Das Ergebnis sehen sie hier.

Es ist trotz seiner Schönheit auch ein schweres Kreuz. Nicht nur wegen des Materials, sondern auch, weil so viel Schweres, so viel Belastendes dort angebracht wurde. „Einsamkeit, Freunde und Eltern bzw. Großeltern nicht sehen dürfen, Streit, gereizte Stimmung, Angst vor Ansteckung, Angst vor erneuter Quarantäne“ das sind einige Begriffe, die dort zu lesen sind.

„Sein Kreuz zu tragen haben“ - dieses Sprichwort ist vielleicht etwas zu oft verwendet worden, aber im Kern passt es doch sehr gut: Die Kinder und Jugendlichen im Kinderdorf hatten und haben viel zu tragen. Ich möchte aber auch nicht die Verantwortlichen Erzieherinnen und Erzieher, die Pädagogen und das Leitungsteam vergessen. Die Arbeit im Kinderdorf während der Coronapandemie ist auch für diese Menschen mit sehr vielen Lasten verbunden.
Unser Blick, liebe Mitchristen soll nicht in Irschenberg stehenbleiben. Jede und jeder von uns kennt Menschen, die durch Corona in einer Art und Weise belastet wurden, dass sie oft seelischen und einige auch körperlichen Schaden nahmen. Jede und jeder von uns hat Mühsames und Schweres erlebt und tragen müssen.

Was kann bei all dieser Schwere entlasten? Ich habe die Kinder und Jugendlichen vor einer Woche gefragt: Genannt wurden in der Rückschau z.B. die moderne Technik. Ja mit dem Smartphone und Webcam, war Kontakthalten und Abstandhalten realisierbar. Es war der Fernseher, der einem Ablenkung schenkte, es waren gute Gespräche, weil man genug Zeit hatte und es waren auch neu erlebte Momente der Stille, des Innehaltens und auch bei Manchen Momente des Betens.

Für uns war in unserer gemeinsamen Kreuzwegandacht sicher auch das nicht nur symbolische - sondern auch tatsächliche Einschlagen der eigenen Sorgen mit einem Hammer, um daraus dieses Kreuz aufzubauen ent-lastend.
Liebe Gemeinde, jedes Kreuz ist solch ein Platz, an dem ich meine Lasten abladen kann. Das Kreuz hat den sterbenden Christus getragen und im Kreuz wurde die größte Last der Menschheit überwunden. Der Tod.
Das Kreuz kennt also keine Belastungsgrenze, unter der es zerbrechen würde. Es hat doch schon die größte Last der Welt, Sünde und Tod getragen und verwandelt. In Leben. In Hoffnung. In Auferstehung. Das Kreuz wurde mit Jesu Christus vom altrömischen Folterinstrument zum Siegeszeichen.

Wir als Christen halten nicht unser Leiden hoch, wenn wir das Kreuz hochhalten. Wir halten die Hoffnung hoch, dass wir Christus mit seinen ausgebreiteten Armen das Leid übergeben können und er es für uns trägt, dass er uns entlastet.

Genau aus diesem Grund, aus diesem Glauben heraus haben wir dieses Kreuz gebaut. Genau aus diesem Grund aus diesem Glauben heraus gibt es dieses sieben Meter hohe 400 Jahre alte Kreuz.
Denn jedes Kreuz zeigt uns, dass Christus unsre Lasten trägt und macht genau das sichtbar, was wir im Evangelium gehört haben: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit die Welt durch ihn gerettet wird.“

Amen.

Andreas Maier, Diakon