Mit Kindern über den Frieden sprechen
Wir Pädagogen sind nun allerorts aufgerufen. Sprecht mit unseren Kindern über den Krieg. Ja klar, gerne. Wichtig! Stimmt! Ich will auch helfen, einen Beitrag leisten, dass Kinder damit besser zurechtkommen. Sie sollen die Welt, in der sie leben verstehen. Dafür sind wir Fachpersonal ja schließlich da.
Dann mal los, so schwer kann es nicht sein, oder doch? Ich beginne lieber nicht, ich warte auf Fragen, will sie nicht überfordern. Was werden die Kinder wissen wollen? Ich bin gut vorbereitet, der Faktencheck ist gemacht. Und dann kommt sie die Frage, die einzig richtige und natürlichste Frage: „Wofür?“ … und ich kann sie nicht beantworten. Gibt es eine einzige gute, sinnvolle Antwort, wofür wir immer noch und immer wieder Kriege führen?
Was kann ich sagen, dass sie verstehen, was nicht zu verstehen ist? Dass sie keine Angst haben, wo Angst mehr als natürlich ist? Dass sie auf eine Erwachsenenwelt vertrauen, wo es nichts zu vertrauen gibt? Dass sie gelingendes Miteinander lernen, was wir in all den Jahrtausenden nicht gelernt haben. Krieg kann nicht ungeschehen gemacht werden, es wird nicht einfach wieder gut. Menschen brauchen Jahrzehnte, um die Schrecken und Traumata eines Krieges zu überwinden, und die Seele bleibt vernarbt. Krieg ist eine Eskalationsstufe, aus der es keine Rettung, keine Lösung gibt. Er verändert unser Wesen, macht uns zu Kriegern und Kriegerinnen, und wir handeln danach. Grausam, unerbittlich, mitleidlos, versteckt hinter Helm und Schild. Wir beladen uns mit Schuld, und so stehen wir ein Leben lang, auch nach Kriegsende, im Krieg mit uns selbst.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll, wenn ich mit Kindern über den Krieg reden soll. Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß nur, es muss endlich aufhören, aber ich kann nichts tun.
Und plötzlich fällt mir ein, was ich sagen kann und will, und wo wir alles etwas tun können:
Was ist Frieden?
Frieden ist ein schönes Gefühl. Frieden macht alles ruhig in dir. Frieden ist für alles gut. In diesem kleinen Wort steckt die ganze Welt. Frieden ist Toleranz, er ist Barmherzigkeit, er ist Mitgefühl, er ist Verständnis, er ist Großzügigkeit, er ist Liebe. Er ist die Wurzel und der Schlüssel des Menschseins. Frieden darf man sich wünschen, jeden Tag aus ganzem Herzen.
Wo fängt Frieden an?
Er beginnt in dir. Stell dich vor den Spiegel. Schau dich ganz genau an. Finde alle schönen Dinge an dir und freue dich darüber. Wie schön, dass ausgerechnet du auf dieser Welt bist. Ohne dich gäbe es diese schönen Dinge nicht. Alle Menschen auf dieser Erde sind gleich. Jeder/e Einzelne besteht aus sehr vielen schönen Dingen. Kannst du sie nicht nur an dir, sondern auch an dem anderen sehen? Versuche es, jeden Tag aus ganzem Herzen.
Wie wird Frieden gemacht?
Frieden ist eine Entscheidung. Du entscheidest dich damit für etwas und gegen etwas anderes. Du kannst bei allem, was du tust, daran denken und dir die Frage stellen: Trägt mein Handeln zum Frieden bei? Friedlich handeln heißt, niemanden anzugreifen und niemandem Schaden zuzufügen. Es heißt, dem anderen genau zuzuhören. Je nachdem, woher du kommst und was du schon erlebt hast, kann deine Welt anders aussehen als die des anderen. Friedlich handeln heißt, zu akzeptieren, dass ein anderer Mensch anders denkt oder fühlt als du. Bei Problemen entscheidest du dich, gemeinsam Lösungen zu suchen, mit denen alle zufrieden sind.
Brauchen wir Frieden?
Stell dir vor, du bist ein Astronaut und betrachtest die Erde von weit weg. Denkst du, es ist möglich von der Erde zu einem anderen Stern zu springen? Nein, natürlich nicht. So ist alles und jeder auf diesem Planeten von der Erde abhängig. Wir haben nur diese eine für uns alle, für fast 8 Milliarden Menschen. Jeder davon hat Hunger wie du, Durst wie du, friert, wenn es kalt ist, möchte ein Dach über dem Kopf, das ihn vor Wind und Regen schützt. Jeder davon möchte in Glück und Freude leben. Dürfen sich das alle Menschen wünschen? Ich denke schon, weil ich es mir wünsche, du dir auch?
Wie kann Frieden erhalten werden?
Das Wort Frieden hat viel mit Freundschaft zu tun. Angenommen, du bist dir und jedem anderen auf dieser Welt der beste Freund, die beste Freundin? Wie würdest du dich verhalten? Ich glaube, du würdest dich von deiner besten Seite zeigen. Du würdest teilen, trösten, helfen, oder? Du kannst dir dazu einen einfachen Satz merken: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“ Das ist eine Friedensformel, und du weißt damit immer, was zu tun ist. Dennoch ist es oft schwer, weil wir vielleicht das haben wollen, was der andere hat, uns ärgern über das, was der andere sagt oder tut oder selber traurig sind über etwas, was uns passiert ist. Es ist eine sehr große Aufgabe, friedlich zu sein. Große Aufgaben kosten viel Mühe. Manchmal braucht es auch eine sehr lange Zeit, bis so eine große Aufgabe bewältigt ist. Oft fängst du wieder von vorne an, machst Fehler, möchtest aufgeben. Dann ist es sehr wichtig, dass andere mit dir die Aufgabe teilen. So kann man sich gegenseitig helfen. Für die große Aufgabe des Friedens müssen wir alle zusammenhelfen, jeder Einzelne. Wir haben dies bisher noch nie geschafft. Wäre es nicht wunderschön, wenn wir das alle zusammen schaffen könnten? Vielleicht sagst du, es ist unmöglich, aber sollten wir es nicht versuchen? Jeder von uns, mit ganzer Kraft. Wenn wir uns alle dafür entscheiden, dann schaffen wir, was vor uns noch niemals geschafft wurde, dann leben wir auf einer friedlichen Erde.
Wollen wir diese Aufgabe wirklich allein den Kindern überlassen? Ist das fair? Sollten wir nicht vielmehr mit gutem Beispiel vorangehen? Karl Valentin hat gesagt: „Wir brauchen unsere Kinder nicht erziehen, sie machen uns sowieso alles nach.“ Ich wünsche uns allen, dass sie etwas Positives finden, das es sich nachzumachen lohnt.
Veronika Wörndl
Leitung der HPT
Caritas Kinderdorf Irschenberg