50 Jahre Kinderdorf Irschenberg - 50 bunte Geschichten
Juli 2022 * Mit dem Zug auf einen Berg *
Gruppenausflug auf den Wendelstein
- Bericht aus der Sicht eines begleitenden Erziehers -
Ich liebe die Berge! Und wenn ich durch die Alpen wandere, habe ich meine Kamera über der Schulter. Zunächst waren diese Wanderungen mein persönlicher Ausgleich. Vor ein paar Jahren begann ich, meine Liebe zur Natur und meine Leidenschaft für die Fotografie mit den Kindern zu teilen. Seitdem hängen in unserem Gruppenhaus Aufnahmen von Pflanzen und Tieren unserer heimischen Bergwelt.
Dies weckte ihr Interesse. Die Kinder wollten fotografieren lernen. Mit einem Mal verband sich meine persönliche Begeisterung mit meiner pädagogischen Arbeit: den Kindern beizubringen, hinzusehen, sich beim Betrachten Zeit zu nehmen, neugierig zu sein…
Seit dem Frühjahr hängt in unserer Küche eine Foto-Serie über den Wendelstein. Kein Berg in unserer Region ist so prägnant wie der Wendelstein, der über seine Nachbarn hinausragt und mit seiner Antenne von weithin unverwechselbar ist.
Einige unserer Kinder sehen den Wendelstein jeden Tag auf ihrem Schulweg am Horizont – und kannten sie den Berg bislang von Weitem. Das Ziel für unseren Ausflug war somit schnell gefunden!
„Mit einem Zug auf den Berg?“ In den Stimmen der Kinder lag sowohl Erleichterung, nicht zu Fuß den Gipfel erklimmen zu müssen und zugleich Erstaunen, wie ein Zug einen so steilen und hohen Berg hinauffahren können sollte.
Früh morgens wurden alle Kinder geweckt. Alle halfen mit, um rechtzeitig aufzubrechen. Unsere Fahrt ging nach Brannenburg, zur Talstation der Wendelstein Zahnradbahn und dort trafen wir auf unsere Kolleginnen und Kollegen unseres Teams und saßen alsbald aufgeregt im Zug. Mit einem Ruckeln ging die Fahrt los! Dann gleich die erste Enttäuschung: „Warum fährt der so langsam?“ Noch ehe eine Antwort ausgesprochen werden konnte, hingen die Kinder an der Scheibe und schauten hinaus, wie der Zug höher und höher fuhr und sich die Landschaft veränderte. Wir hatten Glück, auf der Fahrt nach oben ein Reh und eine kleine Gruppe Gämsen beobachten zu können. Allein die Fahrt war für die Kinder ein Abenteuer!
Nach der Kapelle führte uns der Weg zur Wendelsteinhöhle. Die Kinder, die sich gewundert hatten, warum sie einen Pullover mitnehmen und anziehen sollten, waren dankbar als sie die Stufen in den Berg hinuntergingen und es kühler wurde. Einige der Kinder waren zuvor noch nie in einer Höhle gewesen! Auch wenn die Wendelsteinhöhle nicht mit Tropfsteinen glänzen kann – für die Kinder war es ein unheimliches Abenteuer durch den verwinkelten Gang der Höhle zu laufen. Höhepunkt war – wie zu Erwarten – das Wetterloch, in dem sich Schnee und Eis türmten! Und das mitten im Sommer!
Als nächstes stand der Aufstieg auf den Gipfel an, aber nicht über die breitangelegten Serpentinen auf der Südseite, sondern über den Panoramaweg auf der Nordseite. Weiter unten, am Ausläufer des Geröllfeldes konnten wir einige Murmeltiere sichten.
Wir konnten weit sehen: Vom Chiemsee über das Inntal bis nach München. Am meisten gefreut hat die Kinder jedoch, Irschenberg sehen zu können!
Höher und höher führte uns der Weg. Als die ersten Kinder anfingen quengelig zu werden, tauchten das Observatorium und die Antenne vor uns auf. Die Kinder staunten, wie groß diese waren, jetzt, da sie direkt davor standen. Kurz darauf erreichten wir unseren Picknick-Platz. Mit unserer Brotzeit gestärkt, schafften dann alle die restlichen Meter bis auf den Gipfel. Der Ausblick von oben war für die Kinder dann aber weniger interessant als die Alpendohlen, die um den Gipfel kreisten. Wir hatten ein wenig Vogelfutter mitgenommen, mussten aber leider feststellen, dass die Vögel mit Sonnenblumenkernen wenig anfangen konnten.
Nach einer langen Rast stiegen wir die Serpentinen hinab, bis wir an der Bergstation ankamen. Dort wartete nicht nur ein kleiner Spielplatz auf die Kinder, sondern auch die leckeren Kekse.
Nach einem langen, schönen Tag fuhren wir am späten Nachmittag mit der Zahnradbahn bergab. Überwältigt von den Eindrücken und den erlebten Abenteuern schliefen einige Kinder im Zug und danach im Auto auf der Rückfahrt ein.
Noch am Abend schauten wir gemeinsam die Fotos von unserem Ausflug an. Mit diesen Eindrücken vor Augen bestätigten mir die jüngeren Kinder, was ich ihnen am Morgen versprochen hatte: dass dies das aufregendste Abenteuer in ihrem bisherigen Leben war!
Ganz herzlich danken wir den großzügigen Spendern, die den Kindern und uns diesen tollen Ausflug ermöglicht haben. Wann immer wir zur Aussicht von Irschenberg spazieren gehen, werden wir in Richtung Wendelstein blicken und sagen: „Dort oben sind wir gemeinsam gewesen!“
Steffen Köhnlein
- Hausleitung -
Text und Fotos: Steffen Köhnlein
https://kinderdorf.de/19-aktuelles/rueckblick/774-ein-ausflug-auf-den-wendelstein.html#sigProId1a5c77d2d1
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