Erlebnisreiche Erkenntnisse auf dem Weg über die Alpen ***

Eine Gruppe aus dem Caritas Kinderdorf startete in den Sommerferien ein Abenteuer der besonderen Art. Unter dem Motto: „Across the Alps - mit dem Rad von Irschenberg bis zur Adria“ wurde eine freizeitpädagogische Maßnahme durchgeführt, bei der sechs Kinder und Jugendliche ihre eignen Grenzen ausloten und ihr Durchhaltevermögen beweisen konnten. Angekommen in Italien nach einer 500 kilometerlangen Fahrradtour mit rund 5.000 Höhenmeter war ihnen klar: „Ich kann jetzt alles schaffen.“

Begleitet von drei pädagogischen Fachkräften aus dem Kinderdorf starteten die Kinder und Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren am 2. August 2025 ihre Expedition bei nasskaltem Wetter. In den Satteltaschen das gesamte Gepäck mit Kleidung, Schlafsack, Isomatte, Zelt und Verpflegung für den Tag ging es am Irschenberg los. Auf ein Begleitfahrzeug haben die Organisatoren um Sozialpädagoge Thomas Gratzl bewusst verzichtet. Ihr Weg sollte sie aus eigener Kraft in 8 Etappen über Ellmau, Mittersill, Silian und Tolmezzo bis nach Caorle führen. Dort wollten Sie dann zwei Tage am Meer genießen und mit dem Zug wieder zurück nach Deutschland fahren.

Der erste Tag geprägt von Regen und Kälte führte von Irschenberg vorbei an Brannenburg, an Kufstein und am Wilden Kaiser bis zur Unterkunft in Ellmau, in der man die nassen Klamotten trocknen und im Warmen übernachten konnte. Diese Pension wie auch die zwei folgenden auf der Alpennordseite waren bewusst gebucht worden wegen der unsicheren Wetterlage. Für die Nächte auf der Südseite der Alpen war dann das Schlafen im Zelt geplant.

Die erste Nacht war besonders für eine Jugendlichen entscheidend, denn sie wollte abbrechen, nachdem sie mit dem Regen und Gegenwind am Inn entlang und der gewaltigen Steigung nach Kufstein mit Schiebepassagen schwer zu kämpfen hatte. „Das Ausreizen der Frustrationstoleranz, das gehört bei der Erlebnispädagogik dazu“, nennt das Freizeitpädagoge Gratzl. Nach einer warmen Dusche und einem Abendessen im Trockenen sah am nächsten Tag die Welt für sie schon wieder schöner aus.

„Am ersten Abend war allen klar, wie das jetzt abläuft. Tagsüber müssen wir uns quälen und am Abend ist alles wieder fein“, erklärt Johanna Hopfgartner den Gemütszustand. Die Traumapädagogin im Caritas Kinderdorf war schon bei mehreren großen Touren dabei.

So ging es am nächsten Morgen motiviert nach dem Frühstück weiter nach Matrei, dem nächsten Tagesziel. Die täglichen Strecken waren im Vorfeld besprochen worden, damit die Teilnehmer wussten, was auf sie zukommt.

Bei der Tourenplanung wurde auch darauf geachtet, dass keine Tragepassagen der Fahrräder auf der Strecke lagen, da die Kinder und Jugendlichen ihr Gepäck mit sich führten. Deshalb wurde auch der Felbertauern Tunnel mit einem Shuttle Service durchquert, um zusätzliche
1.000 hm zu vermeiden. Auf der anderen Seite ging es erst einmal bergab nach Lienz. Es folgten zwei schöne Fahrradtage bei angenehmen Temperaturen. Angekommen in Italien begeisterte die Südtiroler Bergwelt mit ihren Wasserfällen und Seen nicht nur die Jugendlichen, erinnert sich Erzieherin Hopfgartner: „Wenn du an den Drei Zinnen vorbeiradelst, dann denkst du dir schon, das ist gigantisch und dafür kriegst du auch noch Geld gezahlt.“ Nach einer Übernachtung im Zelt in einem Waldstück bei Cortina d’Ampezzo ging es auf schönen Radwegen zum Ursprung des letzten Wildflusses der Alpen, dem Tagliamento am Passo della Mauria.

Die Kinderdorfgemeinschaft verfolgte die Abenteurer währenddessen aus der Ferne und feuerte sie täglich über Instagram und WhatsApp an. Denn große freizeitpädagogische Projekte haben eine lange Tradition im Kinderdorf. Und Kinder, die vor ein paar Jahren noch Fans der Teilnehmer waren, sind in diesem Jahr mit von der Partie gewesen.

Es folgten zwei Nächte im Freien im Flussbett des 178 km langen Tagliamento, was allen Beteiligten guttat, denn die Temperaturen tagsüber stiegen auf 40 Grad. Es folgte eine letzte, anstrengende, 80 km lange Etappe durch die Ebene bei der kurzerhand entschieden wurde, dass nicht Caorle das Ziel der Reise sein soll, sondern ein Campingplatz am Meer im nähergelegenen Lignano. Dort war es allerdings so voll, dass die Gruppe nach der gemeinsamen Zeit in der Natur keinen weiteren Tag im Touristenrummel verbringen wollte und zufrieden einen Tag früher die Heimreise mit dem Zug antrat.

Rückblickend ziehen der verantwortlichen Pädagogen ein äußerst positives Fazit: „Alle haben die Strecke geschafft und wissen jetzt, dass sie auch Anderes im Leben schaffen können. Wir hatten keinen einzigen Sturz trotz herausfordernder Strecken. Jeder war fokussiert und diszipliniert. Wir sind stolz auf die Kids“, resümiert der Erlebnispädagoge.

Seit mehr als 10 Jahren veranstaltet die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung alle zwei Jahre erlebnispädagogische Projekte, die über Spenden finanziert werden. Ob die Überquerung des Watzmanns oder eine Fahrradtour nach Berlin die psychischen und physischen Herausforderungen helfen den Mädchen und Jungen, ihre Fähigkeiten zu entdecken und so ein stärkeres Selbstvertrauen aufzubauen. Das ist Johanna Hopfgartner und Thomas Graztl wichtig. Deshalb machen sie das weiter und möchten schon bald mit der Planung des nächsten Projekts und der Suche nach potenziellen Unterstützern beginnen. Vielleicht sind dann die Kinder, die aus der Ferne aus dem Kinderdorf mitgefiebert haben, persönlich dabei.

Zuvor zeigen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am 3. Oktober um 16:00 Uhr Videos und Fotos und berichten über ihr 11-tägiges Abenteuer „Across the Alps“. Die öffentliche Veranstaltung findet im Prälat-Müller-Saal im 1. Stock des Gemeinschaftshauses im Caritas Kinderdorf in Irschenberg, Miesbacher Str. 22 statt. Der Eintritt ist frei. Die Kinder und Jugendlichen freuen sich auf die Fragen von hoffentlich vielen Gästen.